Donnerstag, 27. Januar 2011

Hilfe - Haare

Einer der Ärzte sagte nach Diagnosestellung "Ihre Haare werden nach der Chemo wieder wachsen, jungen Frauen muss man das sagen...!" - Für mich war das in dem Moment schon total klar: Die Chemo würde mich zwar heilen, aber eben auch nur mit Nebenwirkungen. Ich habe meine langen Haare dann zu Zöpfen geflochten und selbst Zopf für Zopf abgeschnitten. Dass ich sie aufbewahrt habe, tat mir während der Behandlung gut: Sich vor Augen zu halten, dass man wieder Zöpfe haben wird und auch Haare zu fühlen, finde ich schon wichtig. Aber alles in allem sind es nur Haare. Man bekommt eine Perücke von der Krankenkasse bezahlt und sollte diese auch, so schwer es fällt, direkt vor Behandlungsbeginn noch aussuchen, solange man noch eigenes Haar hat, damit die Perücke zu Euch passt und nicht unnatürlich wirkt. Ich habe mich gegen eine Perücke entschieden, weil es Sommer war und es einfach nicht zu mir gepasst hätte. Noch bevor der "richtige" Haarausfall begann, kürzte ich meinen selbstgeschnittenen Kurzhaarschopf mit der Nagelschere bis auf wenige Millimeter - um dann während des Haarausfalls (2 Wochen nach Behandlungsbeginn) mit selbstklebenden Fusselrollen, die man in jedem Drogeriemarkt oder in manchen H&M´s bekommt, darüberzugehen. Die Kopftücher waren bunt - und wenn ich manchmal angefeindet wurde, weil Menschen dachten, ich sei Muslima, machte mich das einfach nur stolz.
Sobald die Behandlung beendet ist, wächst schnell ein Flaum. Und dann ist es einfach nur spannend zu sehen, wie sich die Haarstruktur entwickelt. Ich bekam zuerst Locken. Heute ist mein Haar wieder glatt, aber viel voller als früher.
Shampoo hält übrigens ewig - ich habe es damals einfach im Dunkeln aufbewahrt.
Kopf hoch: Ihr seid auch ohne Haare schön!

Sonntag, 16. Januar 2011

Hilfe - Leben nach Krebs

Teil Fünf meiner Serie: Das Leben "danach" ist ganz anders als vorher. Man ist ein Überlebender, ein Survivor. Im einen Moment spürt man: Es kann einen nichts mehr wirklich umhauen. Im nächsten Moment ist man aber immer schwächer als vorher. Müder. Schneller außer Atem. Auch empfindlicher. Weniger bereit, ungesund zu leben, weil man allzuschnell wieder krank werden könnte. Man kann schneller - und länger - erkältet sein oder einfach anfälliger für alles Mögliche. Aber man weiß: Es geht vorbei.
Und: Man hat alle paar Monate diese dusseligen Nachsorgetermine in der Klinik, bei denen einen das Erlebte einholt und man einfach nur noch raus will.
ABER: Wenn man dann raus ist und der Doc gesagt hat, dass alles in Ordnung ist - das ist das allerbeste Gefühl. Leben! Atmen! Raus! Ich gehe danach meistens neue Klamotten kaufen, weil ich dann so fröhlich bin. Oder in das Cafe, in dem ich für mich meine erfolgreiche Behandlung gefeiert habe und in dem mich die ältere Dame damals fragte, ob ich mich wirklich so unter Leute traue, wegen der Ansteckungsgefahr.
Außerdem hat das Leben nach Krebs den Vorteil, dass man wirklich die kleinen Dinge nicht mehr zu achten vergisst. Die Haare beginnen zu wachsen. Es ist spannend, zu sehen, was sich aus diesem kleinen grauen Flaum entwickelt. Ich habe erst Locken bekommen - und leider nicht behalten. Aber egal, es sind bloß Haare!
Man darf jederzeit hinausgehen und sich mit Menschen treffen - ohne Mundschutz. Man kann relativ schnell wieder Radfahren und weitere Strecken spazierengehen - während der Behandlung ist das für mich unmöglich gewesen. Ich brauchte für eine fünfminütige Strecke eine Dreiviertelstunde, daran denke ich immer noch, wenn ich dankbar die Straße entlangschlendere.
Mit dem Schwimmen musste ich eine Weile warten, bis meine Ärztin sagte, das Immunsystem habe sich erholt. Auch die Müdigkeit ist nach einiger Zeit schon weniger schlimm. Man gewöhnt sich daran - und ein Lesetag ist auch etwas Schönes. Klar kann man auch wieder Partymachen, aber das Insichhineinhorchen sollte man einfach nie wieder vergessen.
Das Leben ist ein Geschenk. Wenn es einem beinahe genommen worden wäre und zurückgegeben wurde, behält man es gerne noch eine Weile.
An dieser Stelle bleibt mir nur noch, Samuel Beckett mit dem Spruch auf einer Postkarte zu zitieren: "Das Ziel des Lebens ist das Leben selbst" und zu sagen: Lebt!!