Dienstag, 15. August 2017

KINOTIPPS, gleich drei! ZUM VERWECHSELN ÄHNLICH, DER WUNDERBARE GARTEN DER BELLA BROWN, MONSIEUR PIERRE GEHT ONLINE

Außer meinem Wohnzimmer oder meiner Abendkasse gibt es nur noch einen Ort, an dem ich abends zu finden bin: Das Kino moviac in Baden-Baden. Letztes Wochenende habe ich wieder Urlaub vom Alltag dort gemacht - auch wenn es nur wenige Stunden sind, ich verreise mit den Filmen dieses kuschligen kleinen Kinos immer sehr gerne.

Freitag ZUM VERWECHSELN ÄHNLICH
Der Film, den ich eher zufällig in der Liste meines Lieblingskinos fand, hat mich am meisten beeindruckt. Komödie ist eben nicht gleich Komödie, wenn das Leben die Geschichten schreibt. Was geschieht, wenn ein senegalesisches Paar ein weißes Kind adoptiert? Die Kinderärztin, die Kindermädchen auf dem Spielplatz, die Familie - alle sind erstmal verwundert, dagegen oder toootal aufgeschlossen. Und das Jugendamt natürlich dagegen. Denn wenn ein weißes Paar ein Kind aus einem anderen Kulturkreis aufnimmt, daran hat man sich ja schon gewöhnt.
Die leisen Töne im Film, wie zB die Freunde des Paares, die kein Aufhebens machen sondern einfach "da sind" wenn sie gebraucht werden, oder die Mutterliebe, die keine Blutsverwandtschaft voraussetzt und kleine Alltagsstreitigkeiten zwischen dem Paar, die aber die starke Liebe und Aufmerksamkeit zwischen den Beiden nicht zerstören können, sind bemerkenswert schön dargestellt. Dieser Film erzählt einfach das Leben. Und das liebe ich.

Samstag DER WUNDERBARE GARTEN DER BELLA BROWN
Bella ist zwanghaft, leicht autistisch und sehr sehr klug. Dass das Leben passiert ohne es groß planen zu können, lernt sie, als Alfie und Vernon auftauchen. Auch Billy nistet sich in ihrem Leben ein - und sie beginnt zu leben. Sie soll die Wohnung verlassen wenn sie nicht binnen eines Monats den dazugehörigen Garten in Ordnung bringt. Bellas liebt Ordnung, drin ist alles genau sortiert und akribisch gesäubert. Aber der urwaldgleiche Garten, das Draußen, das ist eigentlich zuviel für sie. Die einzelnen Rollen dieses Films sind wunderbar besetzt. Die Musik - ein Traum. Ein leicht perfekter Film, der nicht das gewisse Etwas hat wie zum Beispiel "Die Fabelhafte Welt der Amelie", aber er ist besonders und darum schön anzusehen, vor allem eine Gartenszene gegen Ende, in der bunte Lampions im Wind schaukeln.

Sonntag MONSIEUR PIERRE GEHT ONLINE
Französische Filme dieser Art mochte ich schon immer, seit ich sie im moviac schauen kann, liebe ich sie. Allerdings musste ich mich anfangs erstmal konzentrieren, zu sehr erinnert die Synchronstimme von Flora an die LIDL LOHNT SICH oder DAS GIBT ES NUR BEI TCHIBO - Werbungen.
Alex und Flora, Monsieur Pierre und Alex, Alex und Juliette, Sylvie und Monsieur Pierre, Flora und Monsieur Pierre -  im Leben hängt alles zusammen, auch wenn zwei TGV aneinander vorbeirasen und zwei liebende Seelen in die jeweils falsche Richtung fahren. Sylvie, Pierres Tochter, kann die Verschrobenheit und Einsamkeit ihres Vaters nicht mehr mit ansehen und schickt ihm den eher unglücklichen neuen Freund ihrer Tochter Juliette, Alex, als Computer-Lehrer. Eigentlich möchte Pierre das gar nicht, aber dann surft er eines Tages auf eine Datingseite und lädt das Testbild, das Alex von sich geknipst hat, hoch. Nun beginnt ein neues Leben - für Alex und für Pierre. Denn Alex soll sich mit Flora treffen, mit der Pierre E-Mails schreibt.
Wunderschöne Bilder, zum Beispiel die Sicht von einem Hotelzimmer auf ein kleines Lokal in Brüssel, die Gesichter von Flora, Alex und Pierre in Großaufnahme, dieser Kinofilm ist einfach gut durchdacht und an manchen Stellen sehr sehr lustig. Aber auch nachdenklich stimmt er, wenn man bedenkt, wie leicht man etwas vorgemacht bekommen kann oder wie oft man sich im Leben vielleicht selbst belügt.


Donnerstag, 10. August 2017

Buchtipp: DER BRIEF von CAROLIN HAGEBÖLLING

Ohne zuviel vorweg nehmen zu wollen: Das Ende ist anders als ich dachte. Und ich weiß auch noch nicht, ob ich das gut finde. Zumal ich mich von Büchern immer so schlecht trennen kann. Die Geschichten, die mich zwei bis drei Tage begleiten sind oftmal so intensiv, dass ein 220seitiges Buch in drei Teilen nicht wirklich dick genug ist.

Carolin Hagebölling beschreibt Maries, Christines, Johannas und Victors Geschichte sehr nah und emotional. Und sie sagt im Klappentext u.a. "Ich wollte einen Roman schreiben, der....auch existenzielle Fragen aufwirft: Sind die Dinge so, wie sie scheinen? Wo stellen wir die entscheidenden Weichen im Leben?"

Es ist ein besonderes Buch. Fesselnd von der ersten Seite an, unerträglich, wenn man es weglegen muss weil man ja vielleicht noch ein bisschen Alltag hat. Ich hätte mich lieber einen ganzen Tag von der Außenwelt abgeschottet, um es weiterzulesen.
Marie bekommt Briefe von Christine, die wiederum Briefe von Marie erhält. Doch keine der beiden will diese Briefe geschrieben haben. Plötzlich haben beide eine Idee von jeweils anderen aber eigenen Leben. Sie müssen sich fragen: Ist es das Leben, das ich leben will oder passt mir ein anderes besser? Gleichzeitig kommen Anrufe ins Spiel. Marie begibt sich auf die Suche, doch die mysteriösen Begebenheiten hören nicht auf. Und was hat ein Aneurysma mit alldem zu tun?

"Ich habe das Gefühl, dass das eine untrennbar mit dem anderen zusammenhängt. Wenn ich das eine verstanden habe, wird es auch für das andere eine Lösung geben"
Derart weise, hoffnungsvolle Sätze findet Carolin Hagebölling auf dennoch leichte Art und Weise. - "Das ist alles sehr sonderbar, geradezu unerklärlich. Aber wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder dazu malen. Das hat Picasso gesagt. Wie uninspirierend wäre das Leben, hätte es keine Geheimnisse mehr." Das hatte Laurent gesagt. -

Was ist die Wahrheit? Und hat nicht sowieso jeder seine eigene? So wie hier mit Subjektivuität gespielt wird, so regt diese Geschichte zum Denken an - möchte ich mein Leben so leben? Wäre ich in einem anderen Leben nicht ebenso vertraut mit der Person, die ich bin?

Also: Riesentipp: Lest dieses Buch!

Carolin Hagebölling hat auch eine inspirierende Website - ja, Schokolade schmeckt besser als Vanille. Und ich bin froh dass sie dieses Leben als Autorin gewählt hat. https://www.carolinhageboelling.de/

14,90 EUR
ISBN 978-3-423-26146-3