Dienstag, 22. März 2016

HELLA VON SINNEN





Eine Frau, über die jeder eine Meinung hat - Sie wird gemocht, sie wird nicht gemocht - wie sie selbst in ihrem Bühnenprogramm Ich kann auch ANDERSen erzählt, bekommt sie sogar schlechte Kritiken wenn sie nur im Publikum sitzt.
Sie unterhält uns seit mehreren Jahrzehnten auf ihre ganz eigene Art, liest Micky Maus, liebt Disney im allgemeinen und erzählt uns heute Andersen-Märchen. Ich treffe Hella von Sinnen nach ihrem Auftritt in Baden-Baden.

Als Teenager habe ich vor 25 Jahren ihr Buch ICH BIN´S - VON SINNEN gelesen und dachte: "hurra, ich bin normal". In Zeiten ohne Internet und mit meist nur drei bis vier Fernsehprogrammen (RTLplus bloß mit Rauschen und Schnee, nicht weit vom Testbild entfernt, immer wieder an der kleinen Antenne gedreht, damit das Bild ein wenig besser würde), hatten wir nicht die Möglichkeiten wie heute.
Lesbisch - das war fremd, das war allenfalls mal ein Artikelchen in einer Jugendzeitschrift wert. Aber Vorbilder, Persönlichkeiten? Für Tennis interessierte ich mich nicht und Martina Navratilova wirkte so alt auf mich. Das hatte nichts mit meinen Gefühlen zu tun. Mit jemand darüber sprechen? Auf keinen Fall!
Man hat ja so viel um die Ohren in der Pubertät.
Doch dann, DAS Buch. Es klang darin alles so einfach. Es wurde schlüssig für mich, was ich selbst schon lange fühlte. Mittlerweile ist es abgegriffen und leicht vergilbt. Ich habe über die Jahre immer mehr darin angestrichen. Immer in Blau, passend zum Cover. In den Zeilen dieser bunten Frau aus dem Fernsehen, die so viel wusste, fand ich mich wieder - ich war erleichtert, "richtig" zu sein. Noch heute ist dieses Buch für mich eines der wichtigsten überhaupt.

Ihr Coming Out, erzählt sie mir heute, war mehr der Mut von Cornelia Scheel damals als ihrer. Bis jetzt - vor allem nachdem diese 2015 das Buch "Mildred Scheel - Erinnerungen an meine Mutter" veröffentlichte - erzählen ihr Frauen, wie wichtig es für sie war. Eine ging zum Beispiel zu ihren Eltern und sagte "So. Ich bin genau so wie die Tochter unseres ehemaligen Bundespräsidenten".
Akzeptanz und Geliebtwerden, das wollen wir doch alle. Und lieben. Doch wenn man nicht weiß, was man "darf" - darum war Hellas Buch so wichtig für mich. Außerdem ist es heute durchaus auch wieder nützlich, denn ich könnte ihre Antworten auf Journalistenfragen, die sie freundlicherweise im hinteren Teil des Buches eingefügt hat, einfach abschreiben.

Doch ich möchte mehr wissen. Sie sagt, "ich bin auch respektiert und akzeptiert in der Branche und das tut gut". Dass Cornelia damals sogar ihren Job verlor, ist in der heutigen Zeit fast unvorstellbar. Aus Hellas Wunsch im Buch, dass in zehn Jahren das Spießrutenlaufen Vergangenheit sein möge, ist nach fünfundzwanzig Jahren tatsächlich Wirklichkeit geworden. Anne Will, Miriam Meckel, Guido Westerwelle, der am Tag zuvor verstarb und an dessen Ehemann Michael Mronz wir alle denken - in unserer Gesellschaft dürfen wir SEIN. Und das nicht zuletzt, weil Hella damals gesagt hat "ich bin´s". Das bereicherte uns alle.

Wir sprechen auch über Verlust. Damals im Buch blickte sie auf ihre ersten 30 Lebensjahre zurück und stellte fest, dass "Schlappen, Misserfolge" durchaus im Nachhinein auch etwas Positives hatten. Wie es heute ist, möchte ich wissen, nicht unbedingt beruflich, sondern so als Mensch. Sie wirkt nachdenklich:
"Was uns nicht umhaut macht uns stärker. Es gehört einfach zum Leben dazu. Aber zum Beispiel mit Abschieden, Verlust umzugehen, das ist nun nicht meine Kernkomeptenz. Aber es wird besser."
Über Dirk Bach erzählt sie, der viel zu früh gehen musste und der ihr sowohl beruflich als auch privat fehlt, der aber bei jeder Entscheidung, bei jedem Schmerz und jeden Tag bei ihr ist:
"Sehen Sie, es ist nicht nur die Liebe, das Herz, der Kopf, die Erinnerung - er ist einfach bei mir."
Wir sprechen über Wiedergeburt, weil sie es auch im Buch erwähnt und auch weil ich mir vorstelle, dass die Verbindung zu Andersen vielleicht daher kommen kann. In Bezug auf Dirk Bach führt sie fort: "Die Liebe, die Energie, die stirbt nicht, Die ist bei mir und umhüllt mich".

Ob sie Andersen in einem anderen Leben gekannt habe, darüber hat sie noch nicht nachgedacht. Oder ob sie vielleicht Andersen war? "Ich fühle mich wohl in seinen Wörtern", erklärt sie, "und von dieser ganz starken gefühlsmäßigen Verbundenheit bin ich immer aufs Neue geflasht."
Sie beide verbindet sonst eigentlich recht wenig. Er ist gerne gereist, sie inzwischen lieber zuhause: "Ich komme nach Thailand, Sibirien - wenn ich im Bett fernsehe".
In ihrem Bühnenprogramm folgt darauf dann gleich ein Anekdötchen mit ihr und Cornelia in Dresden. Wir lachen Tränen. Dort war sie 3-4x, Andersen über 40x. Während er eine gute Mischung aus Naivität und Selbstvertrauen besaß, nennt sie sich "Das Etepeteteste, was ich kenne" - weil man hier im Badischen das Wort "fimschig" nicht kennt :)
Die Prinzessin auf der Erbse - in Bezug auf Mohnbrötchenkrümel im Bett erspüren sei sie ja dann Königin. Das Publikum brüllt vor Lachen.
Es sind die kleinen Dinge, die sie die Märchen und das Leben miteinander verbinden lässt. Ihr Leben. Auch auf der Bühne spürt man ihren Respekt vor den Menschen.
Harry Rowohlt wird genannt, Dank dem sie Winnie Pooh gelesen hat.

In unserem Gespräch erzählt sie, wie privilegiert sie sich fühlt: Sie spricht mit Respekt von Disney-Zeichner Don Rosa, mit dem sie 2014 bei der Buchmesse an einem Tisch saß, Nachfolger von DEM Disney-Zeichner überhaupt, Carl Barks, aus dessen Gesamtwerk sie ihre Lieblingscomics veröffentlichen durfte.
Seit sie 2008 zum ersten Mal den Erlanger Max und Moritz Preis co-moderiert hat, interessiert sie sich auch für Graphic Novels. Und dann natürlich für Andersen, dessen Werken wir lauschen und aus dessen Tagebüchern sie uns ebenfalls vorliest.
Sie gibt im bunten Märchen-Overall "die Stopfnadel" oder "die Teekanne" und man nimmt es ihr einfach ab. Sie IST in diesem Moment der Flachs, der Schneckenvater, all jene Figuren, die Andersen zu Papier gebracht hat.
"Ja, ich bin ein seltsames Wesen" ist der Titel der Andersen-Tagebücher. Hella von Sinnen weiß dieses Wesen einen Abend lang zum Leben zu erwecken und seine Märchenfiguren gleich mit. Man bekommt Lust darauf, weiterzulesen, zuhause dann, wenn der Abend nachklingt.
Ihre Stimme vielseitig beim Vorlesen, dann wieder "et Helli" wenn sie erzählt. Ich vergesse so manches Mal alles um mich herum und sehe die Bilder vor mir, die sie beschreibt.

"Sie könnte auch das Telefonbuch vorlesen", sagt eine Dame neben mir fröhlich und alle um uns nicken lächelnd.
Denn von den Wechseljahren das badische "Hormonpflaschter" mit dem speziellen Singsang sofort zu übernehmen und von der Bühne runter mit dem Publikum zu kommunizieren, kann auch nicht jede. Dann wieder den Bogen gespannt zu kriegen zu "Gülle, Parmesan und Tod", Geschenken von der Tante und Wassermelonen, das ist dann nur noch hohe Kunst.

Das Bühnenprogramm heißt "Ich kann auch ANDERSen". Ja. Ganz anders(en): Heute habe ich Hella von Sinnen als eine Frau erlebt, die zugleich Schauspielerin, Erzählerin und einfach ganz sie selbst ist. Mit wichtigen Freundschaften, mit Lebensbegleitern und dem Humor, der sich Ampelmännchen in Overalls in Gummersbach vorstellen kann - Andersenmännchen in seinem Geburtsort Odense sind schließlich längst vorhanden. Mit einem Augenzwinkern erzählt sie uns zum Teil dramatische Märchen, aber auch ihren Alltag, wenn ein LKW nur rückwärts fährt.

Im Buch finde ich den Satz angestrichen: "Die meisten haben Respekt vor dem aufrichtigen Gefühl".
Das umschreibt für mich die ganze Person und diesen wunderbaren Abend.
Dankeschön :)



Bücher:
Ich bin´s - von Sinnen
nur noch über Antiquariat
ISBN-13: 978-3442305766
Goldmann Verlag

Des Wahnsinns fette Beute
Macken und Marotten auf der Spur
ISBN-13: 978-3499627637
Rowohlt

Mildred Scheel - Erinnerungen an meine Mutter
Cornelia Scheel, Rowohlt Verlag
ISBN-13: 978-3498060879

Andersen: Ja, ich bin ein seltsames Wesen
Wallstein Verlag
ISBN-13: 978-3892444015

Liebe, Lust und Leidenschaft
Die Ducks von Sinnen
ISBN-13: 978-3770433100
Ehapa Verlag

Mittwoch, 9. März 2016

das neue Liebeskümmererbuch ist ab 14.3. erhältlich - ich durfte es testlesen

Elena-Katharina Sohn gründete die Liebeskümmerer-Agentur, nachdem sie selbst so eine Agentur gut hätte gebauchen können. Sie weiß deshalb absolut wovon sie schreibt und hat schon vielen Menschen durch ihren Kummer geholfen, weil sie ihn vor allem ernst nimmt und nicht wie andere sagt "wird schon wieder".
Ihr neuestes Buch hilft meiner Meinung nach nicht nur durch Liebeskummer sondern auch andere Lebenskrisen, darum gefällt mir der Untertitel "Eine Anleitung zum Wieder-Glücklichsein" richtig gut. Denn wer sich durch Täler arbeitet, möchte wieder glücklich sein und gibt nicht einfach auf. Und genau das bewirkt dieses Buch. Es ist weder ein Ratgeber noch ein Erfahrungsbericht. Es ist viel mehr ein Selbsterfahrungsbuch und für alle, die an sich arbeiten möchten oder jemand/etwas an ihrer Seite brauchen, gedacht.
Für die, die ihre Umwelt zu lange (oder noch nicht) mit ihrem Kummer oder ihrer Krise "genervt" haben und manch einem davon nicht mehr erzählen können. Oder wollen. 

Dieses Buch ist der gute Freund, den man in der Tasche trägt. Es ersetzt nicht die Menschen, aber es begleitet, wenn keine Menschen da sind oder man Ruhe braucht.

Schon die erste Seite lässt das wunde Herz hüpfen:

Für Dich.
Und Dein Herz.
Und Dein Glück.

Die Glücksherzmethode hat die Autorin und Therapeutin selbst entwickelt und beschreibt den Weg zum Wieder-Glücklichsein nicht nur anhand von Bildern sondern auch durch Übungen. Gleichzeitig ist es kein Mitmach-Buch im herkömmlichen Sinne, da durch die direkte Ansprache und Warmherzigkeit in jeder einzelnen Zeile das Ganze wie ein Brief wirkt. Der gegen Ende dann zu einem Brief an sich selbst wird - man lernt, sich zu lieben und die Krise, den Schicksalsschlag oder den Liebeskummer als Chance zu sehen. Veränderung tut weh. Aber sie stärkt auch.
Auch wenn es hart ist: Besonders schwere Zeiten in unserem Leben machen uns zu dem, was wir sind. Wir lernen - auch wenn es undenkbar erscheint  - das Leben wieder zu genießen und dass wir auch stark sind.
Sehr stark. Ein größeres Geschenk kann uns nicht gemacht werden: Wir bekommen mit diesem Buch unser Leben zurück.